10.11.2023 – Kategorie: Digitalisierung

Wasserstoffgewinnung: Grüner Wasserstoff in der Industrie

WasserstoffgewinnungQuelle: H-Tec Systems

Grüner Wasserstoff kommt als Schlüsseltechnologie für die Energiewende in immer mehr Anwendungen zum Einsatz. Zum einen ermöglicht er als klimafreundlicher Rohstoff die Substitution von grauem Wasserstoff. Zum anderen eröffnet sich ein immer größer werdender Markt für Anwendungen im Mobilitätssektor oder in energieintensiven Industrien wie der Chemie-, Glas- oder Stahlindustrie.

Wasserstoffgewinnung der Zukunft: Als CO2-neutraler Energieträger bietet grüner Wasserstoff aber auch großes Potenzial, in Dekarbonisierungsprojekten sektorübergreifend eingesetzt zu werden oder als Zwischenspeicher für überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen zu dienen. Wasserstoff ist damit vielfältig einsetzbar und unterstützt die Energiewende vor allem in schwer zu elektrifizierenden Sektoren. Darüber hinaus spielt grüner Wasserstoff zunehmend eine Schlüsselrolle für klimaneutrale Energie- und Verkehrskonzepte, da er sich nicht nur als reines Gas direkt im Schwerlastverkehr einsetzen lässt, sondern auch als synthetischer Kraftstoff im Straßen-, Schienen-, Luft- und Seeverkehr eignet.

Der Stoff zur Dekarbonisierung der Industrie

Grüner Wasserstoff bietet signifikantes Potenzial zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse – als Energieträger sowie als Rohstoff. Gemäß GTP-Ergebnisbericht 2023 rechnen 76 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland künftig mit dem Einsatz von Wasserstoff in ihrem Unternehmen. Für die erfolgreiche Anwendung gibt es zahlreiche Praxisbeispiele, zum Beispiel das Heizen von Brennöfen in der Stahl-, Zement- oder Glasproduktion. Laut IHK ist die Stahlindustrie für 8 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Bei der Stahlproduktion lässt sich grüner Wasserstoff als Reduktionsmittel einsetzen. Allein damit können bis zu 20 Prozent CO2 eingespart werden. Durch eine vollständige Umstellung auf Wasserstoff und Erdgas als Direktreduktionsreaktoren könnten bis zu 80 Prozent der Emissionen vermieden werden. Laut Wirtschaftsvereinigung Stahl lassen sich je Tonne klimaneutralem Wasserstoff in der Stahlindustrie 28 t CO2 einsparen.

In vielen Industriezweigen dient grüner Wasserstoff zudem als klimafreundlicher Rohstoff. Mischt man Wasserstoff und Kohlenmonoxid, entsteht ein hochwertiges Synthesegas, aus dem sich chemische Bausteine für Chemikalien, Polymere oder synthetische Treibstoffe herstellen lassen. Auch Ammoniak, der Hauptbestandteil für Mineraldünger, kann mit Wasserstoff aus klimafreundlicher Erzeugung produziert werden.

Rapide an Bedeutung gewinnt grüner Wasserstoff zudem in der petrochemischen Industrie als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe. Dabei werden mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom flüssige Brenn- oder Kraftstoffe hergestellt (Power-to-liquid). Unter Zugabe von CO2 wird Wasserstoff zu Synthesegas umgewandelt und in einem weiteren Schritt zu Kohlenwasserstoffen konvertiert. Diese sogenannten E-Fuels lassen sich als klimaneutraler Ersatz für Kraftstoffe aus fossilen Rohstoffen (Diesel, Benzin, Kerosin) in Nutzfahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen einsetzen.

Wasserstoffgewinnung
Grüner Wasserstoff als Bestandteil des Energiesystems. Bild: H-Tec Systems

Kleinere Projekte und Sektorenkopplung

Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist grüner Wasserstoff auch in kleineren, regionalen Unternehmen als Alternative angekommen, welche so eine Dekarbonisierung ihres Betriebs anstreben. Sie zeigen Interesse an der Abnahme von grünem Wasserstoff, sind aber auch an der Produktion interessiert. Ein Beispiel ist das „Power-to-hydrogen-to-power“-Projekt des Unternehmens Innio Jenbacher im österreichischen Jenbach. Mit zwei PEM-Elektrolyseuren wird das Unternehmen künftig bis zu 900 kg grünen Wasserstoff pro Tag produzieren. Diese Menge reicht aus, um den eigenen H2-Motoren-Teststand zu betreiben und die Stromversorgung am Unternehmenssitz mit Ökostrom und -wärme aus grünem Wasserstoff zu ergänzen.

Vielfältige Einsatzszenarien

Im Bereich Mobilität ist Wasserstoff immer dort interessant, wo in kurzer Zeit große Mengen an Energie benötigt werden und es keinen Zugang zu Stromnetz gibt. Der Einsatz eignet sich insbesondere für Nutzfahrzeuge. Diese emittieren laut aktueller Studien etwa ein Drittel der Treibhausgase im deutschen Verkehrssektor. Bei Nutzfahrzeugen wie Baumaschinen oder betrieblichen Fuhrparks (zum Beispiel Gabelstapler) sind die Vorteile besonders signifikant. Hier ist es deutlich rentabler, Wasserstoff zu tanken, als Batterien zu laden. Grundsätzlich gilt: Je höher die Last der Fahrzeuge, desto lohnender ist der Einsatz von grünem Wasserstoff. Mögliche Anwendungen sind etwa das Betanken von Wasserstoffbussen für den ÖPNV oder eine kommunale Fahrzeugflotte (zum Beispiel für die Abfallwirtschaft). Dies ist eng gekoppelt mit dem Aufbau einer entsprechenden Tankstelleninfrastruktur und hat einen positiven Einfluss auf Schadstoffbelastung in Innenstädten. Damit kann die Nutzung von grünem Wasserstoff erheblich zur Verkehrswende im kommunalen Bereich beitragen.

In naher Zukunft wird Wasserstoff auch im Zugverkehr eine Rolle spielen. Große Hersteller haben bereits Interesse bekundet, dort, wo es keine Oberleitungen gibt oder deren Bau nicht möglich oder wirtschaftlich ist, Wasserstoff als emissionsfreien Treibstoff zu nutzen. Ein Pilotprojekt startet beispielsweise im Januar 2024 auf der Zugstrecke Augsburg-Füssen.

Wassertoffgewinnung: Standortnahe Herstellungsverfahren

Angesichts der zahlreichen Einsatzfelder stellt sich die Frage, woher Industrieunternehmen den Wasserstoff möglichst CO2-neutral und wirtschaftlich beziehen können. Neben externen Lieferungen, bei denen er über Pipelines, die bestehende Gasnetzinfrastruktur oder per Lkw transportiert wird, gilt die standortnahe oder betriebseigene Wasserstoffproduktion als besonders vorteilhaft. Als bewährte, für den industriellen Einsatz geeignete Technologie hat sich die PEM-Elektrolyse etabliert, die gegenüber anderen Elektrolyseverfahren verschiedene Vorteile bietet. So kann die Herstellung von grünem Wasserstoff im dynamischen Teillastbereich betrieben werden, also Lastschwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen. Dies spielt eine wichtige Rolle bei der Nutzung von grünem Wasserstoff als Speicher- und Puffermedium für Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen.

Für viele Projekte zur Wasserstofferzeugung eignet sich bereits ein 1-MW-Elektrolyseur wie der PEM-Elektrolyseur „ME450“ von H-Tec Systems. Aus erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind oder Wasserkraft kann dieser Elektrolyseur bis zu 450 kg hochreinen Wasserstoff pro Tag produzieren. Durch Kombination mehrerer PEM-Elektrolyseure der 1-MW-Klasse, die über ein Managementsystem zentral gesteuert werden können, lassen sich kleinere Wasserstoffprojekte bei Bedarf nahezu stufenlos ausbauen und skalieren. Das System eignet sich besonders für dezentrale Energielösungen in industriellen Anwendungen und für lokale Mobilitätsanwendungen (etwa Wasserstofftankstellen). Ein Beispiel ist das Wasserstoffprojekt „eFarm“ in Schleswig-Holstein.

Ausbauperspektiven im höheren Leistungsbereich

Aktuell gibt es in Deutschland eine installierte Elektrolyseleistung von insgesamt 30 MW für grünen Wasserstoff. Für den Umstieg in eine Wasserstoffwirtschaft müssten diese Kapazitäten massiv ausgebaut werden. Dafür werden neben kleineren, dezentralen Elektrolyseanlagen wie an Wasserstofftankstellen auch zentrale, großtechnische Elektrolyseure mit besonders hohen Wirkungsgraden benötigt.

Für größere Projekte und bei hohem Kapazitätsbedarf für grünen Wasserstoff in der Industrie sind bereits heute größere PEM-Elektrolyseanlagen im 10-MW-Bereich wie die „Modular Hydrogen Plattform“ (MHP) verfügbar. Bei dem skalierbaren Baukastensystem lassen sich die 10-MW-Blöcke der MHP zu Systemen mit einer Elektrolyseleistung von 100 MW und mehr kombinieren. Die Verwendung fortschrittlicher Materialien und Techniken sorgt für einen hocheffizienten Energieverbrauch und hilft, den Wasserstoffausstoß zu erhöhen. Dieser Aspekt, kombiniert mit dem fortschrittlichen Redundanzkonzept, führt zu besonders niedrigen Wasserstoffgestehungskosten (LCOH).

Wasserstoff wird zum Mainstream

Lange Zeit war der Einsatz von grünem Wasserstoff auf Nischenanwendungen beschränkt, nun aber findet er Einzug in die Breite. Durch die steigende Nachfrage aus der Industrie und weiteren Anwendungsfeldern werden die Technologie- und Kostenentwicklung sowie die Optimierung von Herstellprozessen weiter vorangetrieben. Mit steigenden Produktionskapazitäten sinken auch die Preise. Zudem machen Skaleneffekte durch den Ausbau der Serienfertigung von PEM-Elektrolyse-Stacks und -Elektrolyseuren die Technik Schritt für Schritt günstiger.

PEM-Elektrolyse

Die Elektrolyse über „Proton-Exchange-Membrane“, kurz PEM, ist auf die Produktion von besonders reinem grünem Wasserstoff ausgelegt. Sie stellt im Wesentlichen die Umkehrung des Brennstoffzellenprinzips dar. Mithilfe eines PEM-Elektrolyseurs wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt.

Wasserstoffgewinnung
Bild: H-Tec Systems

Der Prozess findet im Elektrolyse-Stack statt, dem Herzstück des Elektrolyseurs. Innerhalb des Verfahrens bewegen sich positive Wasserstoffionen (Protonen) durch eine gasdichte Membran zur Kathode. Dort vereinen sie sich mit einem Elektron, um Wasserstoffmoleküle zu bilden. Gleichzeitig wird auf der Anodenseite Sauerstoff abgeschieden, der je nach Anlagentechnologie weiterverwendet werden kann. Der PEM-Elektrolyseur erfordert im inneren Wasserkreislauf lediglich hochreines, deionisiertes Wasser, da die Elektroden direkt auf der Membran platziert sind, die gleichzeitig als Elektrolyt fungiert. Im Gegensatz zur alkalischen Elektrolyse kommen bei der PEM-Elektrolyse keine chemischen Zusatzstoffe zum Einsatz, und es ist keine aufwendige Nachreinigung des Wasserstoffs notwendig.

Wasserstoffgewinnung
Bild: H-Tec Systems

Der Autor Stephan Ladd ist Team Lead Business Development bei H-Tec Systems.


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