21.07.2022 – Kategorie: Digitalisierung
Tablettenherstellung: Welche Vorteile die kontinuierliche Direktverpressung bietet

Die kontinuierliche Direktverpressung bietet aufgrund integrierter Prozesse zahlreiche Verfahrensvorteile. Bei vielen Herstellern ist sie trotzdem noch nicht zur Realität geworden. Arznei- und Nahrungsmittelproduzenten verbinden mit der Umstellung vom Batch-Verfahren zum Teil hohe Kosten. Mit einem schlanken Design, einer intuitiven Bedienung und einer vollständigen Inline-Prozessanalyse kann die kontinuierliche Tablettierung jedoch hocheffizient werden.
Das Continuous Manufacturing bahnt sich zunehmend seinen Weg sowohl in die Tablettenherstellung als auch insgesamt in die Pharma- und Nutrition-Produktion. Mit ihm verbinden sich vielfältige Vorteile: Integrierte Prozesse steigern die Prozesssicherheit und Effizienz. Die Prozessdauer verkürzt sich im Vergleich zu Batch-Verfahren, während die spezifische Produktionsleistung zunimmt. Markteinführungen sind schneller realisierbar und die Produktion wird insgesamt flexibler.
Im Bereich der Tablettierung stößt die kontinuierliche Direktverpressung auf wachsende Akzeptanz, da sie im Vergleich zur Batch-to-Batch-Produktion ein schlankeres Anlagendesign ermöglicht. Ungeachtet dessen ist das Batch-Verfahren bei vielen Unternehmen weiterhin der Standard.
Wirtschaftlichkeit der Tablettenherstellung auf dem Prüfstand
Die Beobachtung bestehender kontinuierlicher Linien löst oft Bedenken aus: So beanspruchen diese Anlagen eine hohe Grundfläche und Raumhöhe, wofür im Vorfeld meist Umbauten an Bestandsgebäuden oder sogar Neubauten erforderlich sind. Hinzu kommen Bedenken wegen langer Vorlaufzeiten für die Konstruktion und Fertigung sowie tendenziell hohe Investitionen, weil Anlagen kundenspezifisch ausgelegt werden müssen. Auch die Komplexität lässt viele Hersteller zurückschrecken, weil wissenschaftliches Personal für die Einrichtung und speziell ausgebildete Anwender für die Bedienung gefragt sind. Im Betrieb befürchten Interessenten lange Stillstandzeiten aufgrund der aufwendigen Reinigung und Umrüstung.
Solche kritischen Aspekte lassen sich umgekehrt aber auch nutzen, um Schlussfolgerungen für ein wirtschaftlicheres Continuous Manufacturing ableiten. Im Kern geht es dabei um weniger komplexe und leichter zu adaptierende Anlagen, die auf einer vereinfachten Prozesskette basieren. Das Verfahren der Direktverpressung schafft hierfür die besten Voraussetzungen.

FE CPS: Continuous Processing System
Darauf aufbauend hat Fette Compacting das Continuous Manufacturing für die Tablettenproduktion von Grund auf neu gedacht. Das Ergebnis ist das kontinuierliche Tablettiersystem mit FE CPS, wobei CPS für Continuous Processing System steht. Die Gesamtanlage setzt sich aus der geschlossenen Dosier-Misch-Einheit inklusive Pulver-Transport-System FE CPS, einer Tablettenpresse FE55 und einem Bedienterminal zusammen. Sie kann auf nur einer Ebene in bestehende Produktionsräume integriert werden. Bauliche Investitionen sinken somit auf ein Minimum.
Die FE CPS ist in der Lage, ein breites Spektrum an Formulierungen mit Durchsatzspannen von etwa 5 bis 200 Kilogramm pro Stunde zu verarbeiten. Sie bietet somit eine hohe Prozessflexibilität: von der Produktentwicklung über kleinere Chargen bis zur großvolumigen Fertigung. Die Tablettenpresse FE 55 verfügt über drei statt zwei Druckstationen, womit sie längere Druckhaltezeiten bei einem niedrigeren Druck ermöglicht. Das bewirkt eine schonendere Verarbeitung und einen noch flexibleren Tablettierprozesses. Ein solcher Aufbau eignet sich auch für ein Multiple-Unit-Pellet-System (MUPS), da sich Entmischungsvorgänge effektiv reduzieren lassen.
Sicherheit und Einfachheit als zentrale Kriterien bei der Tablettenherstellung
Bei der Entwicklung stand die Sicherheit der Bediener im Vordergrund. Der Prozessbereich der FE CPS wurde dafür staubdicht designt. Einen zusätzlichen Schutz bietet die geschlossene Bauweise, zu der auch abgedichtete Glasscheiben und ein Unterdruck im Prozessraum beitragen.
Bisher galten vor allem die Reinigung und Umrüstung als kritische Arbeitsschritte bei kontinuierlichen Anlagen, da diese aus über einhundert Einzelteilen bestehen. Die neue Dosier-Misch-Einheit ist hingegen mit deutlich weniger Teilen und Schnittstellen konstruiert und verfügt über getrennte, leicht zugängliche Prozess- und Technikbereiche. Dafür wurde sie so aufgeteilt, dass sich im Prozessraum die Prozessteile der Nachfüllstationen, der Dosierstationen und des eigens entwickelten Mischers befinden. Der davon staubdicht abgetrennte Technikraum beherbergt unter anderem die Antriebe, die Elektronik und die Verkabelung.
Zudem folgt die Anlage einem Designprinzip, das konsequent auf Einfachheit in den Dimensionen Betrieb, Umrüstung und Wartung setzt. Sein Herzstück ist das Human Machine Interface (HMI), über das der Bediener einen Überblick über sämtliche Parameter des Dosierens, Mischens, Tablettierens und der Prozessanalyse erhält. Damit genügt künftig ein einziges Terminal, um den kontinuierlichen Prozess vollständig zu erfassen, inclusive Rezepten, Protokollen, Ereignissen und Diagnosen.

ePAT: embedded Process Analytical Technology
Einen besonderen Einfluss auf die Stabilität des kontinuierlichen Prozesses haben die Materialeigenschaften und das Maschinen- beziehungsweise Prozessdesign. Zur Überwachung der entscheidenden Qualitätsattribute verfügt die FE CPS über eine neuartige Technik zur Inline-Prozessanalyse (embedded Process Analytical Technology, ePAT), bei der hoch entwickelte Sensoren in die Prozesseinheiten integriert sind. Sie können an vier Stellen positioniert werden, um relevante Produktionsparameter durchgehend zu überwachen: am Auslass des Mischers, am Einlass der Tablettenpresse, an der Fill-O-Matic und im Prozessraum der Tablettenpresse. Beispielsweise prüft der Sensor am Mischer die Mischhomogenität. Solche Inline-Messungen, die unmittelbar im Produktionsfluss erfolgen, erlauben eine schnelle Reaktion bei Qualitätsabweichungen und die direkte Anpassung des Produktionsprozesses.
Auch in Bezug auf die Mess- und Reaktionsgeschwindigkeit setzt die Direktverpressungslinie neue Maßstäbe: mit einer Datenerfassung und -analyse in Echtzeit. Bei den Messmethoden hat sich die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) als besonders effizient erwiesen. Ihr Vorteil liegt darin, dass viele Wirkstoffe gut in diesem Spektralbereich erfasst werden können. Die Infrarotstrahlen dringen tief in die Tablette ein, ohne sie zu schädigen. NIRS ermöglicht ultraschnelle Qualitätskontrollen an größeren Probenmengen, wodurch sie sich optimal für Hochleistungstablettenpressen wie die FE55 und den vorgelagerten Mischer eignet.

Der Autor Dr. Marten Klukkert ist Manager Technology Center bei der Fette Compacting GmbH.
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