25.11.2021 – Kategorie: Produktion

Qualitätskontrolle: Walzenpresse mit PAT-Interface überwacht Partikelgröße

strategische PartnerschaftQuelle: Steve Buissinne/Pixabay

Eine neue Lösung für die kontinuierliche Trocken-Granulierung haben die Alexanderwerk GmbH und die Parsum GmbH in einem kürzlich abgeschlossenen gemeinsamen Forschungsprojekt entwickelt. Es wurden dabei eine PAT-Lösung und ein Prozess-Interface zur Inline-Messung der Partikelgrößenverteilung an einer Walzenpresse entwickelt und zur Einsatzreife gebracht. Damit wird die kontinuierliche Überwachung der Produktqualität in Echtzeit realisiert.

Die Herstellung von Granulaten als Basis für chemische oder pharmazeutische Produkte erfolgt bisher häufig im diskontinuierlichen Batch-Verfahren. Insbesondere in der pharmazeutischen Industrie ist diese Vorgehensweise auch auf Walzenpressen übertragbar, um die Nachverfolgbarkeit einer Produktionscharge zu gewährleisten. Gleichzeitig bedeutet das einen hohen Zusatzaufwand für die Unternehmen. „Die Anlagen müssen nach jeder abgearbeiteten Charge demontiert, gereinigt und neu montiert werden“, erklärt Marcus Weidemann, Ingenieur für Verfahrenstechnik bei der Alexanderwerk GmbH. Dies erhöht die Stillstandszeiten der Maschinen und führt in der Folge zu einem Anstieg der Produktionskosten. Außerdem müssen Mitarbeiter mehrmals pro Charge manuell Stichproben für die Qualitätskontrolle entnehmen und diese im Labor analysieren. Da die Ergebnisse meist nach dem Abschluss eines Produktionszyklus vorliegen, lassen sich Prozessparameter bei festgestellten Qualitätsmängeln erst für die folgende Charge anpassen, während die bereits produzierte Menge in vielen Fällen komplett verworfen werden muss.

Um die Prozesstechnik der Walzenpressen mit den entsprechenden Messinstrumenten und der dazugehörigen Steuerungstechnik auf das Continuous Manufacturing auszulegen, erarbeiteten Parsum und Alexanderwerk in einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt eine Lösung. Denn dieser Produktionsansatz bietet gegenüber dem Batch-Verfahren zahlreiche Vorteile: „Im Idealfall überwacht die eingesetzte Messtechnik nicht nur kritische Qualitätsattribute (critical quality attribute – cqa) in Echtzeit, sondern liefert die Ist-Werte, um bei Abweichungen automatisch gegenzusteuern“, erläutert Stefan Dietrich, Geschäftsführer der Parsum GmbH. „In der Folge muss die Produktion nicht mehr zur Neujustierung von Parametern unterbrochen werden. Die Anlagenverfügbarkeit sowie die Engmaschigkeit der Qualitätskontrolle lässt sich deutlich erhöhen, was sowohl die Produktqualität verbessert als auch die Herstellungskosten senkt.“

Qualitätskontrolle: Von der Laboranalyse zu Inline-Messungen

Die praktische Umsetzung eines PAT-Konzepts (Process Analytical Technology) stellte bei der Trockengranulierung eine große Herausforderung dar. Maschinenseitige Prozessparameter, wie etwa die Geschwindigkeit der Förderschnecke, die Walzendrehzahl und die Walzenpresskraft lassen sich bereits online erfassen. Die Überprüfung der Partikelgrößenverteilung, einer wichtigen Prozessgröße war für das verarbeitete Material, bisher nur offline möglich. Grund dafür war das Fehlen einer geeigneten Kombination von Probennahmeeinrichtung (Prozess-Interface) und Messtechnik für diesen Prozess. „Kurz gesagt lässt sich in einer Walzenpresse das sehr lose, pulverförmige Ausgangsmaterial zunächst durch mechanischen Druck zwischen zwei gegenläufig drehenden Walzen zu einem kontinuierlichen festen Band, der Schülpe, verpressen. Anschließend zerkleinert man dies in einer Siebmühle, genannt Rotor-Fein-Granulator (RFG), wodurch als Endprodukt Granulat mit definierter Partikelgrößenverteilung entsteht“, erklärt Weidemann. Die Herausforderung bei der Messung ist, dass das produzierte Granulat nicht aus homogenen Partikeln besteht, sondern aus Partikeln, deren Größe innerhalb einer Probe von sehr feinen bis groben Partikeln reicht.

„Relevant für die Messungen sind die beiden entstehenden Fraktionen: der Feinanteil und der Granulatanteil. Es handelt sich dabei um eine bimodale Verteilung der Partikelgröße“, berichtet Dietrich. In der Vergangenheit hat bereits eine Testung verschiedener Messsonden und Dispergierer stattgefunden, die sich bereits bei anderen Granulierverfahren bewährt hatten. Zum Beispiel in der Wirbelschicht- oder High-Shear-Granulierung. Im speziellen Fall des Kompaktierprozesses unterschieden sich die Inline- Messergebnisse aber oft deutlich von denjenigen der Stichproben.

Gemeinsames Forschungsprojekt von Alexanderwerk, Parsum und der TUHH treibt Continuous Manufacturing voran

Parsum und Alexanderwerk nahmen die Ursachen für die schwankenden Messergebnisse schließlich im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes genauer unter die Lupe. Auf Basis dieser Untersuchungen galt es eine Messsonde sowie ein Prozess-Interface zur Walzenpresse zu entwickeln. Für eine grundlegende Prozesssimulation der Walzenkompaktierung zogen sie außerdem die Expertise der Technischen Universität Hamburg (TUHH) hinzu.

Als wichtigstes kritisches Qualitätsattribut identifizierten die Projektpartner die Partikelgrößenverteilung (PGV) des Granulats. Die Aufgabe von Parsum war es, ein Instrument für die Inline-Messung zu entwickeln, welches die PGV in Echtzeit ermittelt. Dabei sollen keine größeren Eingriffe in den Prozess oder die Maschinenkonstruktion geschehen. Um aussagekräftige Daten als Basis für die Prozesssteuerung zu gewinnen, galt es ein geeignetes „Prozess-Interface“ für die Parsum-Sonde zu entwickeln. Weiterhin kam es darauf an, den bisherigen Standardmessbereich nach unten zu erweitern, sodass auch der Feinanteil exakt zu messen ist.

Qualitätskonrolle
Auf Basis zahlreicher Testreihen und Optimierungen bei der Messtechnik konnte eine marktreife Walzenpresse zur Trockengranulierung mit integriertem Diagnose-Tool entwickelt werden. (Bild: Alexanderwerk GmbH)
Qualitätskontrolle
Damit für die Qualitätssicherung keine manuellen Stichproben mehr entnommen und offline analysiert werden müssen, sondern alle Messungen und Analysen bereits inline und in Echtzeit durchführbar sind, verfügt die Inline-Partikelsonde über ein neu entwickeltes Prozess-Interface zur repräsentativen Messung. (Bild: Parsum GmbH)

Qualitätskontrolle: Der Messort ist entscheidend

Für die Abbildung von Prozessänderungen ist es wichtig, eine differenzierte Auswertung der gemessenen Daten vorzunehmen. Es reicht nicht aus, wie bei anderen Prozessen mit „normaler“ PGV nur den Median der Partikelgröße (x50) zu betrachten. Entscheidend ist bei diesem Prozess vielmehr das Verhältnis von Fein- und Granulatanteil. „Im regulären Betrieb schwankt dieses Verhältnis allerdings“, erklärt Dietrich. Der Feinanteil passiert unregelmäßig den Auslass der Maschine und führt auf diese Weise zu Messschwankungen. Besonders wichtig zur repräsentativen Probennahme ist daher die Positionierung der Messsonde. Abhängig davon, wo und wie diese unterhalb des Granuliersiebs positioniert ist, bestehen eklatante Unterschiede beim Verhältnis zwischen Fein- und Granulatanteil.

Um ein optimales Verfahren für eine möglichst repräsentative Probe zu entwickeln, galt es vier unterschiedliche Ansätze zu prüfen. Dazu fanden Testreihen statt, in denen zeitgleich Proben an 40 verschiedenen Positionen unter dem Granuliersieb genommen und zur Analyse kamen. Das daraus entwickelte Verfahren zur repräsentativen Inline-Probennahme ließ sich Anfang 2021 zum Patent anmelden.

Auch die geringe Partikelgröße stellte eine Herausforderung dar: Damit diese kontinuierlich inline zu bestimmen war, entwickelte Parsum speziell für den Einsatz in Walzenpressen eine PAT-Messsonde mit nach unten erweitertem Messbereich sowie spezielle Inline-Dispergierer, mit denen sich auch Partikel im Größenbereich von 20 – 2.000 µm zuverlässig vereinzeln und damit stabil messen lassen.

Diagnose-Tool zur vollständigen Überwachung relevanter Prozessparameter in Echtzeit

Auf Basis zahlreicher Testreihen und Optimierungen bei der Messtechnik ließ sich eine marktreife Walzenpresse zur Trockengranulierung mit integriertem Diagnose-Tool entwickeln. Damit für die Qualitätskontrolle keine manuellen Stichproben mehr entnommen und offline analysiert werden müssen, sondern alle Messungen und Analysen bereits inline und in Echtzeit durchführbar sind, wurde die Partikelmesssonde an einem dafür strategisch günstigen Ort in der Walzenpresse platziert. Dennoch achtete die Alexanderwerk GmbH bei der Integration auf eine platzsparende Bauweise, sodass sich die Walzenpresse nicht vergrößert. Es sind lediglich 100 mm mehr Bauhöhe am Auslass der Walzenpresse einzuplanen, um die Messsonde mit Dispergiertechnik zu installieren.

„In der Maschinensteuerung werden alle relevanten Maschinenparameter, wie Presskraft, Walzenspalt und Walzendrehzahl, zusammengeführt und die Ist- und Soll-Werte aufgezeichnet und abgeglichen. Darüber hinaus lässt sich jetzt auch die komplette PGV messen und erfassen. Die Kennwerte lassen sich sowohl in Echtzeit grafisch aufbereiten als auch im Batch-Protokoll speichern“, berichtet Weidemann. Durch die so ermöglichte Online-Qualitätskontrolle ist die Anlage bei größeren Abweichungen oder bei Überschreiten vorab bestimmter Grenzwerte frühzeitig zu stoppen. Darüber hinaus lassen sich die Inline-Messdaten für eine direkte Freigabe einer produzierten Charge für den nächsten Verarbeitungsschritt nutzen.

Ausblick

Nach Abschluss der ersten Phase des Forschungsprojekts ist nun eine marktreife Lösung entstanden, die zukünftig als Option für die WP120 Pharma Walzenpresse der Alexanderwerk GmbH angeboten werden kann. Für die Kooperationspartner ist das Projekt jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Entwicklung der Walzenpresse mit Inline-Messsonde stellt nur einen Teilschritt auf dem Weg zum vollständig geregelten Prozess im Sinne eines effizienten Continuous Manufacturing dar. Geplant ist bereits eine Auswertung in Echtzeit der inline gemessenen PGV, um über eine Populationsmassenbilanz Rückschlüsse auf die Schülpendichte und deren Qualität zu ziehen. Eine solche Auswertung lässt sich nutzen, um – falls notwendig – über einen Regelkreis in den Kompaktierprozess einzugreifen und so eine noch bessere Qualitätskontrolle zu ermöglichen sowie konstantere Qualitäten der produzierten Granulate zu erreichen. „Damit hält Industrie 4.0 immer mehr Einzug in die Prozesstechnik und erlaubt eine kontinuierliche und kosteneffiziente Fertigung“, so Weidemann abschließend.

Qualitätskontrolle
„Im Idealfall analysieren die eingesetzten Inline-Messsonden die Partikelgrößenverteilung in Echtzeit und liefern online Daten zur Maschinensteuerung“, erläutert Stefan Dietrich, Geschäftsführer der Parsum GmbH. „In der Folge lässt sich eine stabile Produktion in engeren Qualitätsgrenzen realisieren. Die Produktion muss nicht mehr zur Neujustierung von Parametern unterbrochen werden, Laboranalysen können entfallen und die Anlagenverfügbarkeit wird deutlich erhöht, was wiederum die Herstellungskosten senkt.“ (Bild: Parsum GmbH)
Qualitätskontrolle
„In der Maschinensteuerung werden alle relevanten Maschinenparameter, wie Presskraft, Walzenspalt und Walzengeschwindigkeit, zusammengeführt und die Ist- und Soll-Werte aufgezeichnet. Darüber hinaus wird jetzt auch die Partikelgrößenverteilung erfasst. Die gemessenen Werte werden sowohl in Echtzeit grafisch aufbereitet als auch im Batch-Protokoll gespeichert“, erklärt Marcus Weidemann, Ingenieur für Verfahrenstechnik bei der Alexanderwerk GmbH. (Bild: Alexanderwerk GmbH)

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