08.02.2021 – Kategorie: Digitalisierung
Edge- und Cloud-Apps: Hype oder hilfreiche Technologie?

Beim Thema Apps für Cloud- oder Edge-Anwendungen in der Produktion gehen die Meinungen auseinander: Einige Unternehmen stehen kurz davor, solche Lösungen in Prozessen und Anlagen einzuführen, andere sehen derzeit noch keinen konkreten Nutzen. Dabei bieten Cloud-Apps viel Potenzial für Prozessverbesserungen, wie praktische Anwendungsfälle zeigen.
Edge- und Cloud-Apps versprechen eine effizientere Wartung, bessere Übersicht und mehr Produktivität. Die intelligenten Apps für den Einsatz in Produktionsanlagen und -maschinen nutzen die Daten aus der Anlagenautomatisierung, um daraus Handlungsempfehlungen für Servicetechniker und Anlagenbediener zu generieren. Allerdings gibt es bei Unternehmen eine zweigeteilte Meinung zur Einführung der entsprechenden Lösungen. Während einige Betriebe solche Lösungen bereits einsetzen, halten sich andere bisher zurück.
Cloud-Apps: Akzeptanz hängt nicht nur von Innovationsbereitschaft ab
Die großen Unterschiede bei der Akzeptanz von Cloud- und Edge-basierten Apps lassen sich dabei nicht nur mit einer unterschiedlich hohen Innovationsbereitschaft bei den Verantwortlichen oder unterschiedlichen Innovationszyklen in den jeweiligen Industrien erklären. Der Grund liegt vielmehr darin, dass in vielen Fällen der Nutzen von IIoT-Technologien wie Edge- oder Cloud-Plattformen nicht bekannt ist oder nicht ausreichend mit den Herausforderungen im eigenen Produktionsumfeld in Bezug gesetzt wird.
Anders ausgedrückt: Jedes Unternehmen kennt Probleme bei Prozessen, Produktivität oder Produktqualität, aber nicht alle wissen, dass Edge- und Cloud-Technologien geeignete Instrumente bereit stellen, um diese Probleme schnell zu beheben – und dass es Mittel und Wege gibt, die Risiken und Kosten bei der Einführung dieser Technologien minimal zu halten.
Cloud-Apps und Automatisierung: Miteinander statt gegeneinander
Eine häufige Anforderung in der Produktion ist es, aus der Automatisierung Benachrichtigungen und Meldungen zu generieren und an andere Systeme zu schicken, um einen Anlagenbediener auf eine Störung aufmerksam zu machen oder um der Produktionsleitung aktuelle Kennzahlen von einer Montagelinie zur Verfügung zu stellen. Diese Funktion kann auch im Automatisierungssystem realisiert werden. Allerdings sind solche Lösungen mit hohem Aufwand verbunden. Mit Edge- oder Cloud-Apps lässt sich diese Benachrichtigungsfunktion erheblich leichter implementieren.
Die Notifier App beispielsweise überwacht Daten aus der MindSphere oder einem Industrial-Edge-Gerät, um bei einem Maschinenfahler Mitarbeitern eine Push-Nachricht auf ihr mobiles Endgerät zu schicken. Dazu muss die Maschine lediglich mit einer Schnittstelle zur Cloud oder mit einem Industrial-Edge-fähigen Gerät nachgerüstet werden – die eigentliche Automatisierung bleibt davon unberührt. Neben der Benachrichtigung unterstützt die App auch einen Feedback-Kanal, sodass auch Aufgaben innerhalb Teams verwaltet und koordiniert werden können. Die Notifier App ergänzt also die klassische Automatisierung um eine Benachrichtigungsfunktion und macht so die Interaktion mit den Anlagen bedeutend einfacher.

Praktische Unterstützung für das Gerätemanagement
Wie sehr die Automatisierung von Edge- und Cloud-Apps profitieren kann, zeigt auch das Thema Gerätemanagement. Die Pflege der installierten Geräte ist gerade bei hochautomatisierten Anlagen eine komplexe Aufgabe. Manchmal müssen Hunderte von unterschiedlichen Geräten an verschiedenen Standorten und Anlagen regelmäßig aktualisiert werden, ohne dass dazu bislang ein zentrales Gerätemanagement wie in der IT verfügbar war. Das bedeutete in vielen Fällen, dass Mitarbeiter Updates vor Ort in der Anlage aufspielen mussten – mit allen damit verbundenen Aufwänden.
Mit Edge-Apps lassen sich die Daten aus der Automatisierung direkt vor Ort an der Maschine im Edge Device auswerten und so Aufgaben wie das zentrale Management der installierten Geräte und Systeme optimieren – auch ohne Cloudanbindung. Der Anwender nutzt dazu einfach eine intuitive App, zum Beispiel die Industrial Edge App Simatic Automation Tool. Mit dieser App lassen sich für Simatic-Automatisierungsgeräte Inbetriebsetzungs- und Servicetätigkeiten wie die Vergabe von IP-Adresse oder Firmwareupdates parallel für mehrere Geräte ausführen – das spart nicht nur Zeit, sondern verringert auch mögliche Fehlerquellen.
Auch Diagnosedaten aus der Automatisierung lassen sich mit Edge-Apps einfacher als bisher auswerten. So können Anwender in der Industrial Edge App Machine Insight aufgezeichnete Daten zu Maschinenzuständen sowie Alarmen und Diagnosedaten miteinander und mit entsprechenden KPIs korrelieren und auf diese Weise Fehlerursachen einfacher identifizieren und beheben – und so die Verfügbarkeit und Leistung von Maschinen verbessern.
Cloud-Apps verbessern das Wissensmanagement
Cloud-Apps helfen aber nicht nur den Teams in Produktion und Service bei ihren Aufgaben, sie helfen Unternehmen auch, eine weitere zentrale Ressource effektiver zu nutzen: Das Wissen ihrer Mitarbeiter. In jeder Produktion gibt es sie, die Experten, die genau wissen, warum Anlage A andere Parameter benötigt als Anlage B, was man tun muss, wenn an einer bestimmten Maschine ein Aggregat versagt – und so einen unschätzbaren Beitrag zur Produktivität leisten. Was aber, wenn diese Experten das Unternehmen verlassen? Wie kann dieses Wissen auch in anderen Teams und an anderen Standorten genutzt werden?

Oft helfen hier informelle Netzwerke unter Kollegen – aber mit den richtigen digitalen Werkzeugen lässt sich diese Zusammenarbeit nicht nur intensivieren, sondern auch dokumentieren. So ermöglicht die MindSphere-App Collaboration Board effizienten Wissensaustausch, auch zwischen verschiedenen Standorten weltweit. Bei Problemen an einer Anlage können Kollegen und Experten kontaktiert und in die Lösungsfindung einbezogen werden. Dazu stellt die App gängige Methoden aus dem Qualitätsmanagement wie Ishikawa oder 5 Why bereit und dokumentiert die Lösungsfindung. So können Unternehmen eine eigene Wissensdatenbank aufbauen, von der alle Standorte im Unternehmen profitieren – und Bediener und Wartungsmanager dabei unterstützen, die Betriebszeit von Maschinen und Anlagen zu erhöhen.
Automatisierung um Optionen zur Datenverarbeitung ergänzen
Durch die Integration von Cloud- und Edge-Applikationen lassen sich zahlreiche typische Aufgaben im Produktionsumfeld einfach und effektiv unterstützen. Apps können die vorhandene Automatisierung um effiziente Optionen zur Datenaufbereitung und -verarbeitung ergänzen, ohne dass dazu stark in die Maschinen- oder Anlagenarchitektur eingegriffen werden muss. Auch vorhandene Maschinen oder Anlagen lassen sich mit entsprechenden IIoT-Gateways oder Edge Devices nachrüsten, was den Investitionsaufwand reduziert und die Risiken für den laufenden Anlagenbetrieb senkt.
Wichtig ist dabei, dass sich Anwender für eine offene und sichere Plattform entscheiden, die Ihnen sowohl die Möglichkeit bietet, einsatzfertige Apps zu nutzen als auch eigene Lösungen zu entwickeln – entweder als Hochsprachen-Applikationen oder mit Hilfe von Lowcode-Anwendungen, wie sie Mendix anbietet. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel auch erste Anwendungen mit generischen Apps realisieren, um Potenziale aufzuzeigen und entsprechende Business Cases zu erstellen. Diese Ergebnisse können dann auf breiterer Basis ausgerollt werden – und so die Möglichkeiten des Industrial Internet of Things im eigenen Unternehmen genutzt werden.
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Über den Autor: Dominik Bittner ist Marketing Manager IoT-Applikationen bei Siemens.
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Sehr geehrter Hr. Bittner,
in Ihrem Beitrag im erste Punkt „Miteinander statt gegeneinander“ bringen Sie ein aus meiner Sicht wirklich tragfähiges Argument, was für eine Cloud- oder Edge-Lösung spricht. Also z.B. an der SPS vorbei (um Änderungen im SPS-Programm zu umgehen), Benachrichtigungen oder Meldungen zu generieren. Da sehe ich einen Sinn, wobei sicherlich 90% der SPS’en sowieso über eine CP mit dem überlagerten Netzwerk verbunden sind und damit solche Meldungen zum Leitsystem, oder einer Scada-Anwendung sowieso schon programmiert sind.Jetzt nehmen wir einmal an, dass es das alles nicht gibt. Dann zeigen Sie in dem Bild aber die Cloud-, bzw. Edge-Geräte, angeschlossen an die SPS. Ich gehe davon aus, dass das eine SPS sein soll, welche dann unterlagert noch einen Feldbus hat, da die wenigsten SPS im letzten Jahrzehnt noch E/A-Karten lokal besitzt. Wenn die Cloud-/Edge-Geräte aber ihre Informationen von der SPS bekommen sollen, dann sind sie erst einmal nicht schlauer als die SPS, aber das ist ein anderes Thema, dann müssen Sie ja doch die SPS wieder programmieren. Ich hätte angenommen, damit Sie die SPS umgehen, dass Sie Ihr Cloud-/Edge-Gerät direkt an den Felbus gehängt hätten, denn die angesprochenen Alarmmeldungen, Gerätediagnosen usw. kann man aus dem Datenverkehr zwischen dem Controller und den Devices abfangen, ohne auf die SPS angewiesen zu sein. Dazu müsste das Gerät aber passiv den Telegrammverkehr mitschreiben und auf solche Meldungen getriggert werden. Da stellt sich dann die Frage, ob dieser Aufwand nicht vielleicht der größere ist, als mit der SPS zu kommunizieren und dafür etwas umzuprogrammiern. Ein weiterer Weg für Ihr Cloud-/Edge-Gerät wäre das azyklische Abfragen von Zuständen der Geräte, bzw. des Controllers, über den Bus, was an sich einfacher wäre und auch keinen Einfluss auf die SPS hätte, aber jetzt auf das Netzwerk und gegebenenfalls machen diese zusätzlichen Telegramm den zyklischen PROFINET Datenaustausch kaputt.
Dann gibt es aber auch Alarme, oder Meldungen, für welche die Geräte im Feldbus nur die Zustände an die SPS melden und erst die SPS kann entscheiden, dass es sich bei diesem Wert um etwas gefärhliches handelt und macht daraus eine Meldung.
Also Sie sehen, Ihr Artikel wirft bei mir Fragen über Fragen auf und eventuell geht es anderen Lesern auch so und vielleicht ist das auch einwenig der Grund, warum es so schleppend vorangeht mit den Anwendungen.
Es gibt viele Artikel die das Thema behandeln und mehr oder minder greifbare Mehrwerte aus dem Hut zaubern. Eine Frage bleibt aber meistens ungeklärt, und zwar, wo bekommen Sie die Daten her. Und eins muss doch klar sein, solange wie Sie nur mit der SPS reden, solange sind Sie auch nur so schlau wie die SPS und Sie können maximal einen Mehrwert über die Cloud erzeugen, indem Sie viele lokale SPS miteinander vergleichen, oder indem Sie die lokale SPS-Intelligenz in Korrelation mit anderen Daten bringen, auf welche die eine lokale SPS gar keinen Zugriff hat, oder gar keine Ressourcen zur Verarbeitung.
Unterhalb der SPS stehen aber deutlich mehr digitalisierte Daten zur Verfügung, als die mit der die SPS überhaupt arbeitet, denn die SPS verarbeitet ja nur die Daten, welche zur Erfüllung ihrer Aufgaben vom Programmierer programmiert wurden. Wenn Sie das mittragen, dann haben die, die ihre Daten für die Cloud von der SPS holen, ja nur vielleicht 20% der Daten, welche unterhalb der SPS digitalisiert vorliegen. Und die SPS wurde ja nicht für die vorbeugende Instandhaltung, für Condition Monitoring, für die Prozessoptimierung usw. vom Programmierer programmiert, sondern ausschließlich und allein zum steuern der Anlage. Das heißt. wenn die Digitalisierer nicht an der SPS vorbei an diese bereits digitalisierten Datenschätze in den Maschinen/Anlagen herankommen, dann nehmen sie sich ihre Möglichkeiten etwas mehr anzubieten, als es die SPS könnte.
Ich hoffe es ist verständlich was ich meine.
Aus meiner Sicht sollten wir deshalb einmal andersherum diskutieren. Also nicht von oben kommen und bis zur SPS denken und Schluß. Sondern von unten, denn der Datenschatz ist in der Maschine/Anlage. Hier werden über Sensoren/Aktoren die analog vorliegenden Informationen in digitale umgewandelt und an die SPSgeschickt, denn die war und ist die Erste, welche digital gearbeitet hat. Problem ist, das die SPS nur die Daten verarbeitet, welche zum Steuern der Maschine/Anlage notwendig sind. Ein Beispiel. Ein Frequenzumrichter. Die SPS gibt dem FU eine Drehzahl vor und lässt sich vom FU melden, dass er in der Drehzahl läuft, oder die Abweichung. Der FU selber misst und digitalisiert z.B. aber auch seine Stromaufnahme. Die Stromaufnahme ist für die SPS aber vollkommen uninteressant, denn der Antrieb wird über die Drehzahl gesteuert. Die Stromaufnahme wäre aber interessant für eine vorbeugende Wartungssoftware, oder eine Energieverbrauchs management Software. Wie komme ich aber an die Daten ran. Definitiv nicht über die SPS.
Vielleicht kommen wir einmal in eine Diskussion darüber.
René Heidl
Indu-Sol GmbH