28.08.2020 – Kategorie: Digitalisierung
Digitalisierung: Mut zeigen und gesetzte Denkmuster durchbrechen

Den meisten Unternehmen ist gewahr, dass sie ihre eigene Digitalisierung vorantreiben müssen. Allerdings beschränken sich die Bemühungen meist darauf, Daten digital zu erstellen oder zu erfassen. Dabei wird häufig die Verbesserung der digitalen Kompetenz und der Umgang mit Bedenken hinsichtlich der Digitalisierung hinten angestellt.
Die Redaktion der Digital Process Industry sprach mit Reda Mostafa, Business Development Director bei PTC, über seine Einschätzung zum Stand der Digitalisierung in der Branche und warum die digitale Reise Auswirkung auf alle Mitarbeiter und die Organisation hat. Dabei ist es wichtig, den Mitarbeiter von Anfang an zu involvieren, sein Verständnis der individuellen Vorteile zu stärken und ihm die Bedenken gegenüber einer totalen Transparenz zu nehmen. Zusätzlich sollte das Unternehmen Mut zeigen und bereit sein, gesetzte Denkmuster zu durchbrechen. Nur so ist es möglich, von den Digitalisierungsmaßnahmen zu profitieren.
Die digitale Transformation kommt nur schwer in Gang. Welche Hindernisse bestehen zurzeit noch?
Reda Mostafa: Die meisten Unternehmen sind sich bewusst, dass die eigene Digitalisierung voranschreiten muss. Aktuell beschränken sich die Bemühungen oftmals darauf, Daten digital zu erstellen oder zu erfassen. Dies geschieht häufig im direkten Kontext mit der aktuellen Aufgabe (Engineering, Compliance Report, Service, Operation Monitoring). Die erhobenen Daten werden dann passend zum Kontext in Datensilos abgelegt. Die Vorteile der Digitalisierung können so nicht ohne weiteres greifen, es fehlen Möglichkeiten übergreifend Informationen zusammenzutragen und zu bewerten. Die durch die Digitalisierung propagierten Vorteile wie Früherkennung von Fehlern, beschleunigte Entscheidungsfindung oder eine insgesamt höhere Transparenz greifen daher eher punktuell, aber nicht unternehmensweit.
Es fehlt an einheitlichen Datenmodellen und Plattformen, die diese übergreifende Aufgabe bewältigen. Insbesondere in kritischen Anwendungen tun sich die Unternehmen schwer Neuerungen einzuführen, wenn zum Beispiel ungeplante Ausfälle mit der Gefährdung für Menschen verbunden sind, oder Auswirkungen auf Umsatz und Lieferzeit zu befürchten stehen. Initiativen der Industrie zur Vereinheitlichung von Daten (DEXPI /NAMUR) wurden auf den Weg gebracht und zeigen jetzt erste Erfolge in punkto Datenmodell und Interoperabilität.
Eine entscheidende Aufgabe der Unternehmen ist dabei auch die Verbesserung der digitalen Kompetenz und der Umgang mit Bedenken hinsichtlich der Digitalisierung. Im Grunde ist es wie in jeder Transformation der Mensch, der den Unterschied macht. Diesen von Anfang an zu involvieren und die Mehrwerte vor die Angst vor absoluter Transparenz zu stellen, hilft zu motivieren und die Unternehmens- und Digitalstrategie voran zu treiben.
Eine Plattform, die in der Orchestrierung der unterschiedlichen Datensilos und der Automatisierungspyramide zuhause ist, und entsprechend der Rolle oder des Prozessschrittes konsolidieren kann, ermöglicht aus Big Data einen erweiterten Mehrwert zu generieren. Konzepte wie Predictive Maintenance oder OEE Dashboards werden intuitiv und flexibel realisiert. Die Einfachheit der Anwendung ist dabei wichtig für das Verständnis und die Motivation der beteiligten Mitarbeiter. Die digitale Reise hat also Auswirkung auf alle Mitarbeiter und die Organisation.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei Unternehmen der Prozessindustrie um eine digitale Kontinuität über sämtliche Phasen des Anlagenlebenszyklus umzusetzen?
Reda Mostafa: Unternehmen in der Chemiebranche folgen von der Verfahrensplanung bis zur eigentlichen Inbetriebnahme des Werkes, und der Produktionseinheit dem Asset LifeCycle Daten Model von ENPRO (Energieeffizienz und Prozessbeschleunigung für die Chemische Industrie). Hier wird anfangs definiert, welche funktionalen Anforderungen die neue Anlage genügen muss. Im Anschluss geht es an das Anlagendesign und spezifischen Bauteile, bis die neue Maschine in Betrieb genommen werden kann. In jeder dieser Phasen werden wichtige Daten erzeugt und der entsprechenden nächsten Instanz geliefert. Hierbei können durch eine uneinheitliche Datenstruktur oder bei der Übergabe ohne definierte Standards viele Potentiale der Digitalisierung brachliegen. Daher ist ein einheitliches Datenmodell über alle Phasen wünschenswert. Dies hat auch die Industrie vor Jahren erkannt. So entstanden Vereinigungen (Konsortien) wie DEXPI (Data Exchange in the Process Industry) oder CHFIOS (Capital Facilities Information HandOver Specification).
In einem Unternehmen, mit welchem PTC gerade zusammenarbeitet, hat man basierend auf DEXPI ein Datenmodell erstellt. In einem ersten Piloten wurde nachgewiesen, dass die Datenstruktur in unsere IoT-Plattform übertragbar ist und somit alle relevanten Informationen aus dem Engineering in die nachfolgenden Phasen bereitgestellt und orchestriert werden können. Das DEXPI-Datenmodell kann dabei automatisiert in das IoT Datenmodell überführt werden. Über die Plattform ist es somit möglich, Echtzeitdaten während des Anlagenlebenszyklus in Form von Dashboards oder auch als Augmented Reality-Anwendung zur Verfügung zu stellen.
IIoT steht im Mittelpunkt der digitalen Transformationsbestrebungen, sollte eine horizontale Skalierbarkeit möglich sein. Wie trägt ThingWorx dazu bei?
Reda Mostafa: ThingWorx bietet durch seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einen effektiven und intuitiven Eintritt in das IIoT. Durch die Möglichkeiten, mit ThingWorx Daten zu erfassen, in den Kontext zu bringen, Analysen über die Daten durchzuführen und zusätzlich die richtigen Workflows anzusprechen, präsentieren wir ein ganzheitliches Konzept. Die Umsetzung und Skalierbarkeit ergeben sich in eigenen Fällen ganz einfach, wenngleich nicht unbedingt offensichtlich.
Ohne die Gefährdung der laufenden Produktion können Unternehmen Daten aus der Automatisierungspyramide (ERP/MES, Systemsteuerungen, Sensoren und Historien Systemen) nutzen, zum Beispiel für die Verbesserung der Datenmobilität oder der Transparenz im Hinblick auf die Vereinfachung von Entscheidungsprozessen, die die tägliche Arbeit im Werk optimieren. Durch das Monitoring von Prozess-Daten, die Analyse von Anomalien und daraus abgeleiteten Vorhersagen von Fehlern können ungeplante Ausfallzeiten reduziert und die Overall Equipment Effectiveness (OEE) verbessert werden. Dadurch können Kosten reduziert und die Effizienz der Instandhaltungsarbeit optimiert werden. Durch das Auswerten qualitätsrelevanter Daten sind die Auswirkungen auf die Ergebnisqualität sichtbar und die Kundenzufriedenheit am Ende erhöht.
Mit der Nutzung der Engineering-Daten (3D) zur Erstellung von Augmented Reality (AR) können digitale 3D-Modelle und real existierender Komponenten im Werk überlagert werden. Instandhaltungsmitarbeiter können so einfacher eine animierte Darstellung der Montage- und Demontage auszutauschender Komponenten erhalten. Diese initialen Schritte können im Nachgang Teil einer Roadmap werden. Entlang dieser Roadmap und mit besserem Verständnis der Technologie, sind auch tiefere Integrationen / Interaktionen in der Automatisierungspyramide denkbar.

Vordefinierte, vorgefertigte Lösungsbausteine erleichtern die Implementierung für komplexe IIoT-Anwendungsfälle. Ist dies für jede Branche möglich?
Reda Mostafa: Es gibt Themen und Herausforderungen, die jede Branche betreffen, zum Beispiel die Notwendigkeit, neuen Mitarbeitern schnellstmöglich Expertenwissen zu vermitteln Insbesondere im Bereich sicherheitsrelevanter Aufgaben möchten Unternehmen gewährleisten, dass regulative Standards eingehalten werden und neue Kollegen schnell eingearbeitet werden können. Vuforia Expert-Capture bietet eine ideale Vorgehensweise, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Viele andere Anwendungsfälle, bei denen es um die Ermittlung und Konsolidierung von Systeminformationen und -daten geht, sind hingegen individuell auf die jeweiligen Anforderungen der Branche anzupassen. Hat ein Unternehmen sich für eine flexible Plattform entschieden, sind viele Implementierungsaufgaben nach einer betreuten Anlaufphase inklusive Training auch selbst realisierbar.
Bei Kapazitätsengpässen in den Unternehmen oder komplexen Anwendungen bauen wir auf unser branchenrelevantes ECO-System, allesamt Experten in ihrer Branche. Somit haben unsere Kunden die Wahl, ob sie die nötigen Applikationen selbst erstellen oder sich von uns unterstützen lassen.
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